Das Klima ist ja gerade wieder in aller Munde und ich hatte hier auch schon diverse Male etwas dazu geschrieben. Auf einen Artikel, über den ich heute noch mal gestolpert (auf eine gekürzte Version hatte ich hier schon mal hingewiesen) bin und den ich für lesenswert halte, insbesondere, weil das darin Vorgebrachte nicht nur das Klima, sondern insgesamt das Verhältnis Wissenschaft – Lobbyverteter – Medien(sorgfalt) betrifft, möchte ich hier noch mal besonders hinweisen:
Alles nur Klimahysterie? – Wie „Klimaskeptiker“ die öffentlichkeit verschaukeln und wirksame Klimaschutzmaßnahmen verhindern
[…] Kritisiert man als Wissenschaftler faktische Fehler in den Medien, dann kommt meist der Vorwurf, man wolle eine Diskussion und abweichende Meinungen unterdrücken. Kein Wissenschaftler hat etwas gegen kontroverse Diskussionen, sie gehören zum Alltag der Wissenschaft und machen gerade einen guten Teil des Spaßes an der Forschung aus. Der Klimawandel wird von uns auf Konferenzen und in den Fachzeitschriften seit Jahrzehnten in allen Facetten kontrovers diskutiert – gerade aus diesem lebhaften Diskussionsprozess hat sich ja allmählich der Konsens über wesentliche Punkte herausgebildet. Andere Punkte sind in der Fachwelt nach wie vor umstritten – etwa der Einfluss der globalen Erwärmung auf die Stärke tropischer Wirbelstürme, das Ausmaß des künftigen Meeresspiegelanstiegs oder die Stabilität der Kontinentaleismassen. Doch bringt eine Diskussion nur dann Erkenntnisgewinn, wenn sie intellektuell redlich und auf Basis korrekter Fakten geführt wird. Dies unterscheidet fundamental die in den Medien geführten Scheinkontroversen von den Diskussionen unter seriösen Wissenschaftlern.
Fazit
In unseren Medien wird nach wie vor regelmäßig der vom Menschen verursachte Klimawandel in Zweifel gezogen – was auch völlig in Ordnung wäre, wenn dies mit korrekten und seriösen Argumenten geschähe. Die ehrlichen Argumente sind den „Klimaskeptikern“ aber längst ausgegangen. Die genannten Beispiele sind nur die Spitze eines Eisbergs und illustrieren, mit welch abstrusen Falschaussagen und Bauernfängerargumenten stattdessen gearbeitet wird. Eine Diskussion auf derart niedrigem Niveau selbst in anspruchsvolleren Medien hätte ich zuvor nicht für möglich gehalten.
Wer sich im Bekanntenkreis umhört, der merkt rasch, dass diese künstlich am Leben erhaltene Scheindebatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Viele Menschen sind verunsichert und wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Sie meinen, die Ursachen des Klimawandels seien unter Experten immer noch umstritten. Diese Fehleinschätzung behindert und verzögert eine effektive Klimaschutzpolitik bis heute. Dabei geht es um viele Menschenleben. Die Hitzewelle in Europa im Sommer 2003 hat über 30.000 Menschenleben gekostet. Und die Weltgesundheitsorganisation schätzt in einer Studie, dass der Klimawandel insgesamt derzeit für jährlich rund 150.000 zusätzliche Todesopfer verantwortlich ist, vor allem in Afrika. Ohne rasche Gegenmaßnahmen ist dies erst der Anfang eines mehrfach größeren Klimawandels. Und es geht – den Thesen von Reichholf zum Trotz – um die Frage, wieviele Tier- und Pflanzenarten wir noch in das 22. Jahrhundert hinüber retten können.
Ich kann hier nur an die Verantwortung von allen appellieren, die sich in den Medien zu Wort melden, mit redlichen Argumenten und sorgfältig recherchierten Fakten zu arbeiten. Täuschungen, Tatsachenverdrehungen und selbsternannte Experten ohne fundierte Sachkenntnis („opinionated ignorance“, wie es im Englischen so treffend heißt) sind wenig hilfreich.
Vor allem aber sind die zitierten Falschmeldungen Folge eines erschreckenden Versagens der Qualitätskontrolle in unseren Medien. Dabei wäre Abhilfe sehr leicht. Im Internetzeitalter ist es einfacher denn je, Fakten nachzuprüfen. Meist genügen wenige Minuten. All die „Skeptiker“-Argumente, die in den letzten Monaten in den Medien aufgetaucht sind, sind von Wissenschaftlern auf diversen Internetseiten längst detailliert diskutiert und widerlegt worden. Einen Überblick über die besten dieser Seiten bietet realclimate.org in der Rubrik start here. Auch die Qualität von Experten lässt sich anhand von online-Datenbanken wie dem Web of Science oder Google Scholar leicht ermitteln – man kann sofort nachsehen, wer was in der Fachliteratur publiziert hat und wie oft es zitiert wurde. Durch Internetquellen wie sourcewatch.org oder lobbycontrol.de kann man zudem leicht prüfen, ob jemand für Lobbyorganisationen tätig ist.
Wir Wissenschaftler können die Mißstände in den Medien nicht beseitigen – wir können nur unser eigenes Haus in Ordnung halten, fachlich fundierte Informationen bereitstellen und gelegentlich darauf hinweisen, wenn Unsinn verbreitet wird. Die Qualitätssicherung der Medien muß die Medienwelt selbst leisten. In Gesprächen mit Journalisten stelle ich aber häufig einen erstaunlichen Zynismus oder tiefe Resignation fest, wenn es um die Frage einer Verbesserung des Qualitätsniveaus geht.
Doch ohne eine solche Qualitätskontrolle verliert unsere Gesellschaft die Fähigkeit, zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie zu unterscheiden – und sie verliert dabei die Fähigkeit, mit einem komplexen Problem wie dem Klimawandel erfolgreich umzugehen. Wir alle, vor allem aber unsere Kinder und Enkel, könnten dafür einen hohen Preis bezahlen.