„Christliche Werte“? [Update]

Ja, ja, ich böses, gottloses Wesen mecker schon wieder über „die Christen“ … 😉

Vom zu schärfenden „diakonischen Profil“ und dass unsere Werte originär alle christlich sind, es ohne Christentum und Glauben keine Werte gäbe etc., ist in der letzten Zeit viel und häufig zu hören und zu lesen.

Bei der Recherche für eine kleine geplante Aktion angesichts dessen, dass sich die Diakonie zur Zeit weigert, die – ohnehin sehr mageren – Tarifabschlüsse des TVöD zu übernehmen, sind mir diese Tage so einige Sachen über den Weg gelaufen, bei denen ich mich frage, ob es sich dabei um diese viel beschworenen christlichen Werte und ein geschärftes diakonisches Profil handelt.

Da wären zum einen die so genannten „Christlichen Gewerkschaften“:

Ein erheblicher Teil der Leiharbeitnehmer befinde sich also in prekären Verhältnissen, da er seinen Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft sichern könne, bemängelte Sommer. Dabei handele es sich vorwiegend um Angestellte von Firmen, die den DGB-Tarifvertrag mit der Branche unterliefen und mit „so genannten christlichen Gewerkschaften“ niedrigere Abschlüsse vereinbart hätten, betonte der DGB-Chef.

Niedrig-Löhne, unter denen immer mehr leiden. Beispiel: Borna in Sachsen. Rettungssanitäter im Warnstreik. Ver.di kämpft hier auf verlorenem Posten. Denn das Rote Kreuz verhandelt in Sachsen nur noch mit der Christlichen Gewerkschaft, hat einen Tarifvertrag mit dem DHV. […] Wie hier in der Gesundheitsbranche in Sachsen schließt die DHV auf einmal in der ganzen Republik Tarifverträge ab. Aber wie kommt eine solche Gewerkschaft überhaupt an Mitglieder? Offenbar hilft der Arbeitgeber nach. […] Frage: Schließen Sie aus, dass es auch Tarifverträge gibt: 40-Stunden-Woche, Streichen des Urlaubsgeldes, Streichen des Weihnachtsgeldes, die Sie unterzeichnen, ohne dass Arbeitsplätze gefährdet wären, akut? […] O-Ton, Jörg Hebsacker, DHV-Bundesvorsitzender: »Das halte ich für einen Witz.« […] »Das schließe ich aus.« Das wollen wir genau wissen. Und machen unseren Test bei unserem Treffen mit dem hohen Funktionär der DHV. Wir erzählen, dass wir in der Lausitz ein städtisches Pflegeheim übernehmen wollen, brauchen Billiglöhne. Wir packen den Tarifvertrag aus, den wir von der Christlichen Gewerkschaft unterschrieben haben wollen. Die Mitarbeiter sollen nachts ohne Zuschläge arbeiten, sonntags auch. Wer nicht eingesetzt wird, baut ein Minuskonto auf. O-Ton, Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: »Das ist alles kein Problem, das kriegt man geregelt. Also deswegen bin ich so schnell drüber weggegangen.« […]

REPORT MAINZ bekommt bei Test mit versteckter Kamera Dumping-Tarifvertrag in Aussicht gestellt […]

[…] Dumpinglöhne per Tarifvertrag

Viele Zeitarbeitsunternehmer haben in der CGZP einen willigen Helfer gefunden, per Tarifvertrag Dumpinglöhne im eigenen Unternehmen durchzusetzen. Was die CGZP-Gewerkschaften davon haben, ist nicht ganz klar. Es gibt aber Hinweise.

In der ARD-Sendung Report-Mainz wurde erst kürzlich über eine türkische Leiharbeitnehmerin berichtet, die bei der Einstellung eine Beitrittserklärung zur CGZP unterschreiben musste.

Ihr soll der Mitgliedsbeitrag direkt vom Lohn abgezogen worden sein. Schüren: „Das hat es so bisher noch nicht gegeben.“

Hinzu kommt die Geheimniskrämerei. Es gibt keine öffentlich zugänglichen, ausdifferenzierten Mitgliederstatistiken. Die Tarifverträge sind nur dann einsehbar, wenn sie Vorzeigecharakter haben. Auch die Finanzen der Christlichen liegen im Dunkeln.

Laut Schüren gibt es auch keine Informationen, ob und in welcher Zahl die Mitgliedsgewerkschaften der CGZP Leiharbeitnehmer als Mitglieder haben.
Ihn erstaune, dass die Tarifgemeinschaft seit 2003 nicht nur die billigsten Flächentarifverträge für Leiharbeitnehmer in Deutschland abschloss, sondern darüber hinaus viele einzelne Arbeitgeber mit noch weit billigeren Haustarifverträgen für Leiharbeitnehmer versorgte.

„Was daran Vertretung von Arbeitnehmerinteressen sein soll, ist völlig unerklärlich“, sagt Schüren.

Der Deal mit den Christlichen lohnt sich

Der Deal lohnt sich also vor allem für die Zeitarbeitsunternehmen. Die sparen viel Geld, wenn sie die gesetzliche Forderung nach „equal pay“, also gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit, mit einem Tarifvertrag unterlaufen können.

Möglich ist das auch, weil in Unternehmen, in denen die CGZP ihre gefürchteten Haustarifverträge macht, Betriebsräte Seltenheitswert haben. Die CGZP ist dabei so etwas wie ein externer Tarifvertragsdienstleister. Sie kommen, unterschreiben und gehen wieder. Für die CGZP fallen ein paar zwangsverpflichtete Neumitglieder ab. […]

Nur eine kleine Auswahl aus der diesbezüglichen Berichterstattung.

Man sollte meinen, gerade christliche Einrichtungen – insbesondere dann christliche Gewerkschaften – setzten sich für menschenwürdige Löhne, gegen Lohndumping etc. ein. Aber statt dessen schaffen diakonische Einrichtungen lieber ihre eigene „Zeitarbeitsfirma„. Und verweigern sich Mindestlöhnen.

[…] Solche Tendenzen, bei denen weniger die Flexibilität als vielmehr die Reduzierung der Personalkosten im Vordergrund steht, sind – wie aus einer Bundestagsdrucksache (Deutscher Bundestag 2006) als Antwort auf eine Anfrage von Bündnis90/Die Grünen hervorgeht – auch nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit festzustellen: „Aus diesen Hinweisen kann in der Tat bei einzelnen Betrieben eine Tendenz beobachtet werden, Stammarbeitskräfte durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen. Dies geschieht entweder dadurch, dass reguläre Arbeitsplätze in Zeitarbeitsplätze umgewandelt werden oder indem Teilbereiche ausgegründet werden (Outsourcing).“ […] Nicht zuletzt haben Arbeitnehmervertretungen in der letzten Zeit solche Praktiken publik gemacht – z.B. die Arbeitnehmerseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD (2006): „Gerade in jüngster Zeit ist zu beobachten, dass immer mehr diakonische Unternehmen dazu übergehen, eigene Tochterfirmen zu gründen, die nicht der Diakonie beitreten. Diese reinen Töchter der diakonischen Unternehmen verfolgen den einzigen Zweck, Arbeitnehmer deutlich unterhalb
des Niveaus der AVR anzustellen, um sie an die diakonische Mutter auszuleihen. Dort machen sie dann dieselbe Arbeit, wie die (noch) bei der diakonischen Einrichtung mit AVR-Vertrag Angestellten. (…) Die Arbeitnehmerseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD erwartet, dass diakonische Arbeitgeber auf die dargestellte Art von Lohndumping und Schmutzkonkurrenz verzichten. Sie erwartet, dass die Spitzen von Diakonie und Kirche auf die diakonischen Arbeitgeber einwirken, damit die geschilderte Praxis schnell beendet wird.“

Keine sieben Euro die Stunde für einen Knochenjob? Heimbetreiber und Wohlfahrtsverbände fordern zusammen mit der Gewerkschaft Verdi eine gesetzliche Lohnuntergrenze für Pflegekräfte. Doch die Branchenriesen Caritas und Diakonie weigern sich.

Die kirchlichen Arbeitgeber haben sich am Donnerstag gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen. Dadurch würden weder Armut noch Schwarzarbeit wirksam bekämpft, sagte Markus Rückert, der Vorsitzende des Verbands diakonischer Dienstgeber in Deutschland. Auch die Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen sprach sich gegen staatlich verordnete Löhne aus: Die kirchliche Selbstbestimmung sei ein Verfassungsgut. […]

Aaah die kirchliche Selbstbestimmung… Nachtigall, ick hör dir trappsen… Arbeitnehmer der Kirchen sind bereits Arbeitnehmer zweiter Klasse, denen diverse Rechte anderer Arbeitnehmer, wie Betriebsräte, Mitbestimmung etc., verwehrt bleiben.

Sollte „kirchliche Selbstbestimmung“ tatsächlich derlei schützen?

Schützt „Glaubensfreiheit“ Verleumden und Lügen?

Gestehen wir derlei „Rechte“ auch anderen Glaubensgemeinschaften / Weltanschauungen zu? Sollten wir das?

[…] In der Antwort der Anwälte Müllers spiegelt sich nicht nur der absolutistische Größenwahn wider, mit dem der Regensburger Bischof sein Bistum regiert, das Schreiben ist auch ein Lehrstück, welche geistigen Blüten die ungenügende Trennung von Staat und Kirche treiben kann. Denn Müllers Rechtsvertreter führen an, „ganz unabhängig davon, wie einzelne … Äußerungen zu verstehen sind” bestehe kein Anspruch auf Unterlassung. Begründet wird diese Ansicht mit dem Hinweis darauf, dass eine Predigt eine „persönliche Verkündigung des Predigenden” darstelle und von subjektiven Elementen geprägt sei und schließlich „in jeder Hinsicht und ungeschmälert” durch Artikel 4 des Grundgesetzes (Glaubensfreiheit) geschützt sei. Wenn nun eine Predigt, noch dazu eine des „Oberhirten im Bistum Regensburg”, an äußerungsrechtlichen Kriterien gemessen werde, stelle dies „einen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich garantierten Freiheiten” dar. Übersetzt in Umgangssprache heißt das etwa: In einer Predigt darf gesagt werden, was dem Kirchenfürsten beliebt; sachliche Richtigkeit oder Persönlichkeitsrechte „normaler” Menschen spielen da keine Rolle. Ähnlich argumentiert die Kanzlei auch hinsichtlich der Behauptung, Schmidt-Salomon stelle in der Raum, was denn dabei sei, wenn Menschen ihre Kinder ermordeten: „Es kommt nämlich gar nicht darauf an, ob Ihr Mandant die Kindstötung – wie etwa bei den Berggorillas – befürwortet oder nicht.” Pointiert zusammengefasst kann die Rechtsauffassung des Bistums Regensburg etwa so beschrieben werden: Die katholische Kirche muss sich an die Regeln, die für alle gelten, die sich an öffentlichen Debatten beteiligen, nicht halten. […]

Nachtrag: Auch wenn sich Müller der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung nicht unterwarf, hat das Bistum mittlerweile eine veränderte Fassung der Predigt ins Netz gestellt. […] In der neuen Fassung sind die von Schmidt-Salomon bemängelten Tatsachenfalschbehauptungen eliminiert und korrekte Zitate aus dem Ferkelbuch sowie dem Manifest des evolutionären Humanismus hinzugefügt worden. Dadurch allerdings ergibt Müllers Angriff auf den Naturalismus keinen Sinn mehr. […] Fraglich ist, ob die veränderte Version der Predigt als Schuldeingeständnis Müllers zu interpretieren ist. Wenn ja, warum weigerte er sich, die Unterlassungsaufforderung zu unterschreiben? Man darf gespannt sein, wie der Streit weitergeht…

Gelebtes Christentum im Jahre 2008?

Wie auch immer, meine Werte sind das nicht. Ebenso wenig halte ich solcherlei Werte für erstrebenswert. Gar schützenswert. Solcherlei „Glaubensfreiheit“ und „kirchliche Selbstbestimmung“ schon gar nicht.

[Update]

Zum letzten Punkt oben, „Bischöfliche Unwahrheiten und das kleine Ferkel“ gibt es nun eine Reaktion von kreuz.net:

Brutale atheistische Aggression

Ein notorischer deutscher Gottloser will den Bischof von Regensburg vor Gericht schleppen. Dem Gericht wird er auf jeden Fall nicht entgehen. […]

Aber hallo! 😀 *schepper* Brutal!

Ein Gedanke zu „„Christliche Werte“? [Update]“

Kommentare sind geschlossen.